Migrationsberatung stellt sich gegen Kürzungspläne
„Flucht und Vertreibung sind Teil unseres Alltags. Gerade mit Blick auf die Ukraine, aber auch die Tatsache, dass Millionen Menschen auf der Flucht sind, ist es das falsche Signal jetzt Gelder für die Migrationsberatung zu kürzen. Die Arbeit in den Migrationsberatungen spielt eine Schlüsselrolle in der erfolgreichen Integration von Zugewanderten. Wie kann Politik auf der einen Seite eine erfolgreiche Integration fordern und auf der anderen Seite Mittel für ein erfolgreich etabliertes Beratungsnetzwerk mit hoch qualifizierten Fachkräften streichen? Diese Fachkräfte gehen verloren, wenn sie sich durch die Kürzungen in andere Jobs orientieren müssen. Es ist daher dringend erforderlich, dass sich Politiker für eine professionelle und flächendeckende Migrationsberatung stark machen“, fordert Caritasdirektor Prof. Dr. Björn Enno Hermans.
Die Haushaltspläne der Regierung sehen für 2023 eine Kürzung der Mittel um 22 Prozent vor. Um sich diesen Plänen entgegenzustellen, fand am 14. September der bundesweite MBE-Aktionstag statt. Die Essener Träger Caritasverband für die Stadt Essen, Diakoniewerk Essen, Arbeiterwohlfahrt, Plan B Ruhr, VIBB und der Jugendmigrationsdienst hatten zum Aktionstag die Essener Bundestagsabgeordneten zum Gespräch eingeladen. Kai Gehring (Grüne) und Matthias Hauer (CDU) waren der Einladung gefolgt. Sie ließen sich in den Räumen des Caritasverbands für die Stadt Essen über die Arbeit der Beratungsdienste informieren und stellten sich den kritischen Fragen und Forderungen der Berater:innen.
Die Fachkräfte hatten auf mehreren Schautafeln Daten und Fakten zusammengestellt: Allein die Zahl der MBE-Beratungsfälle hat bereits in den ersten acht Monaten des Jahres bis August 2022 den Stand des gesamten Vorjahres erreicht. Eine Vollzeitkraft betreut über ein gesamtes Jahr 200 bis 250 Klient:innen.
Auch bisher ist die Förderung nur eine Anteilsfinanzierung. Alle Träger bringen für ihre Angebote von Beginn an einen Eigenanteil auf. Beim Caritasverband für die Stadt Essen liegt dieser bei rund 30 Prozent. Eine weitere Kürzung der Mittel würde den Weiterbestand der MBE massiv gefährden.
Die Botschaft der Berater:innen und Träger der Migrationsberatungen war daher ganz klar: Die Haushaltsmittel im Bundesprogramm Migrationsberatung für erwachsene Zuwander:innen müssen korrigiert werden. Noch im Mai hatte der Bundestag die Haushaltsmittel, mit Blick auf die Folgen des Ukrainekriegs, kurzfristig um 8 Millionen Euro erhöht. Im Haushaltsplanentwurf für 2023 sind demgegenüber Kürzungen um 22 Prozent zum Ursprungsbetrag vorgesehen.
„Wo sollen zukünftig Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und sich vollkommen neu orientieren müssen, mit ihren Fragen hin, wenn die Geldmittel erheblich gekürzt werden und Wohlfahrtsverbände diese Beratungsangebote bereits jetzt aus Eigenmitteln bezuschussen?“, so Tanja Rutkowski, Fachbereichsleitung Soziale Dienste, Gefährdetenhilfe und Quartierentwicklung.
„Es ist schwer nachvollziehbar, warum gerade jetzt, mit Blick auf die viele Kriegsregionen insbesondere die Ukraine, Beratungsangebote für Menschen, die nach Deutschland fliehen, zurückgefahren werden sollen“, ergänzt Daniela Dederichs, Migrationsberatung für Erwachsene beim Caritasverband für die Stadt Essen.
Die Wichtigkeit der Arbeit der Migrationsberatung ist im Gespräch mit den beiden anwesenden Politikern deutlich geworden. Kai Gehring (Grüne) wies darauf hin, dass es eine hohe Wertschätzung für die Arbeit der Migrationsberatung gebe. Als Mitglied der Regierungskoalition versicherte, dass man bisher über einen Haushaltsentwurf spreche, der nicht genauso umgesetzt werde. Er hoffe sehr und sei optimistisch, dass man einen Großteil der bedrohten Fördermittel wieder zurück erkämpfen könne. Matthias Hauer (CDU) schloss sich der Wertschätzung an und betonte, dass eine ausreichende Finanzierung verdient sei. Auch er wolle sich für eine Korrektur dieser Kürzungspläne einsetzen. Er wies jedoch darauf hin, dass die Regierungskoalition diesen Haushalt eingebracht habe und ihn auch gegen die Stimmen der CDU/CSU beschließen könne.