Gegenstellungnahme der cse gGmbH zur 3sat-Reportage „Prostitution - Kein Job wie jeder andere“
Der Titel „Prostitution – Kein Job wie jeder andere“ ließ vermuten, dass es in journalistisch differenzierter Art darum ginge, genau diese Unterschiedlichkeiten darzustellen und eine Perspektivenvielfalt der Sexarbeit zu beschreiben, zumal von einem öffentlich-rechtlichen Sender keine boulevardesken Zuspitzungen zu erwarten waren. Leider ist die Reportage tendenziös und das unseres Erachtens noch in eine falsche Richtung geraten. Sie behandelt hauptsächlich das Thema Menschenhandel.
Es ist richtig und wichtig über Menschenhandel aufzuklären sowie Frauen und Männern, die davon betroffen sind, die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Menschenhandel ist zu Recht eine Straftat (§232 StGB). Die cse unterstützt von Menschenhandel Betroffene aktiv bei der Anzeige der Täter:innen, unterstützt die Betroffenen in Gerichtsverfahren, bei der Wohnungssuche und der eigenständigen Lebensführung. Menschenhandel gehört mit allen Mitteln bekämpft. Jedoch ist Sexarbeit mehr als Prostitution und Prostitution mehr als Menschenhandel.
Es ist wichtig zu sehen, in welchen Bereichen und aus welchen Gründen Sexarbeiter:innen noch tätig sind. Sie sind keine homogene Gruppe, sondern als Personen so vielfältig und divers wie die Arbeit selbst. Es gibt auf der einen Seite beispielsweise Sexual Assistenten oder Tantra Massage, Escort Services und vieles mehr, die oft eigenständig als Gewerbe betrieben werden und Frauen ein gutes Einkommen ermöglichen, von dem sie Steuern zahlen und sich versichern können.
Natürlich gibt es auch die andere Seite: Frauen und wenige Männer, mit mangelnder Schulbildung und damit fehlenden Perspektiven, Drogengebrauch und damit die Notwendigkeit, den Konsum finanzieren zu müssen, aber auch wie im Film beschriebene traumatische Erfahrungen, die den Weg in die Sexarbeit begünstigen.
Die cse steht dafür ein, allen die bestmögliche Unterstützung zu Teil werden zu lassen, aber die Definition dessen liegt immer bei den Betroffenen selbst, orientiert sich am geäußerten Willen und den derzeitigen Möglichkeiten.
Als cse setzen wir uns dafür ein, Bedingungen zu schaffen, in denen die Sexarbeiter:innen ihren Job möglichst gefahrlos für Leib und Leben tun können und so bestmöglich vor gewaltbereiten Männern geschützt sind. Dafür hat die Stadt Essen den Straßenstrich eingerichtet, der auch im Film zu sehen war. Dort sind täglich Mitarbeiterinnen unserer und anderer Beratungsstellen vor Ort, um die Frauen niederschwellig zu beraten und bei ihren Anliegen zu unterstützen.
Ein wie in der Reportage gefordertes Sexkaufverbot hätte zur Folge, dass die Sexarbeiter:innen sich zurückziehen, ihre Dienste in Privatwohnungen, in Gewerbegebieten, im Internet oder wo auch immer anbieten. Sie werden es aber so oder so weitertun und damit den gewaltbereiten Männern schutzlos ausgeliefert sein. Das können wir derzeit während des Lockdowns beobachten. Für Beratungen und niederschwellige Hilfen sind sie kaum zu erreichen.
Zudem ist es wichtig, keine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht zu stellen. Zu einer guten journalistischen Arbeit gehört die Darstellung unterschiedlicher Ansichten und Meinungen, damit Zuschauer:innen die Möglichkeit haben, sich ein differenziertes Bild zu machen. In der ausgestrahlten Reportage ist überwiegend nur eine Seite dargestellt worden, die Sexarbeit verbieten will.
Neben den von den Mitarbeiterinnen der cse beim Dreh geäußerten und nicht verwendeten Beiträgen hätten auch Statements anderer Mitglieder im Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern das Meinungsspektrum deutlich erweitert. Da dies nicht geschehen ist, müssen wir hier von einer tendenziösen Arbeit ausgehen.
Die cse steht für einen respektvollen Umgang mit Sexarbeiter:innen sowie die Schaffung eines liberalen Arbeitsklimas. Sexarbeit muss aus einer dunklen, schmutzigen Ecke herausgeholt werden, um auch Straftatbestände wie Menschenhandel und Gewaltanwendung deutlich sichtbarer zu machen. Es ist wichtig, die Selbstbestimmung der Frauen und Männer in der Sexarbeit zu respektieren und ihre Rechte zu stärken anstatt sie mit einem Sexkaufverbot zu untergraben. Wenn Sexarbeiter:innen ausstiegswillig sind, sollten die Bedingungen dafür geschaffen sein, dies möglichst schnell und unbürokratisch zu unterstützen.