NRW-Vernetzung der spezialisierten Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel
Menschenhandel in NRW
Männer und Frauen, Jungs und Mädchen, und Trans*menschen können vom Menschenhandel betroffen sein, jedoch ist der Frauenanteil bei diesem Verbrechen wesentlich größer. agisra e.V. Köln, Informations-und Beratungsstelle für Migrantinnen* und Flüchtlingsfrauen*, Nachtfalter in Essen, die spezialisierte Fachberatungsstelle der Diakonie Mark Ruhr gGmbH in Hagen, die Dortmunder Mitternachtsmission, das Eine-Welt-Zentrum Herne, die Fachstelle für Opfer von Frauenhandel in der frauenberatungsstelle düsseldorf e.V., NADESCHDA in Herford und Solwodi in Duisburg sind acht spezialisierte Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel. Diese Fachberatungsstellen betreuen jährlich fast 1.000 Frauen und Mädchen, die von Menschenhandel betroffen sind. Betroffene von Menschenhandel sind zum größten Teil Frauen und Mädchen aus Ost- und Südeuropa, Afrika, Asien, Lateinamerika und auch aus Deutschland. Ihre oftmals bereits im Herkunftsland prekäre Situation und der Wunsch nach einem Leben ohne Gewalt und Armut werden von Menschenhändler*innen als Köder benutzt. Einige werden mit falschen Versprechungen auf eine Arbeitsstelle oder Ehe nach Deutschland gelockt. Aufgrund fehlender Kenntnisse über Sprache, Gegebenheiten des jeweiligen Landes sowie auch ihrer eigenen Rechte und oft enormer Einschüchterung durch ihre Peiniger*innen sind diese Frauen und Mädchen besonders vulnerabel, perspektiv- und schutzlos. Ein Entrinnen aus eigener Kraft aus ihrer Situation ist selten möglich.
Menschenhandel mit deutschen Frauen und Mädchen „im Namen der Liebe“
Frauen und Mädchen aus Deutschland sind ebenfalls von Menschenhandel betroffen. Oft sind diese von sogenannten „Loverboys“ rekrutiert. Loverboys bauen zunächst eine emotionale Be-ziehung mit der Frau oder dem Mädchen auf und gewinnen ihr Vertrauen. Danach wird sie „im Namen der Liebe“ zur Prostitution gezwungen. „Das Problem ist größer als gedacht. Wir brau-chen dringend einen bundesweiten Ansatz“, sagt NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharren-bach und macht deutlich, dass Aufklärung und Prävention eine staatliche Aufgabe sein muss.
Auswirkungen der Covid-19-Pandemie
Trotz der Arbeit unserer Fachberatungsstellen in NRW und der Identifizierung hunderter Fälle, verbleibt dennoch eine immens hohe Dunkelziffer. Die COVID 19- Pandemie wirkt sich zudem erschwerend auf die Identifizierung von Betroffenen von Menschenhandel aus. Ohne Identifi-zierung kann den betroffenen Personen jedoch kein Schutz zuteil kommen. Somit rutschen die Betroffenen durch die Pandemie weiter in die Illegalität und werden zu einem leichten Ziel für Menschenhändler*innen.
Nicht die Täter*innen, sondern die Betroffenen haben Angst vor Strafe
Menschenhandel ist ein äußerst florierendes und risikoarmes Geschäft für die Täter*innen. Auch wenn dieser unter Strafe steht, ist die tatsächliche Strafverfolgung und Verurteilung der Täter*in-nen mit großen Hürden verbunden, die sich insbesondere zu Lasten der Opfer auswirken. Um die Aussicht auf eine Verurteilung zu erhöhen, fühlen sich die von Menschenhandel Betroffenen unter Druck und werden angehalten, eine Aussage zu machen. Die Täter*innen lassen jedoch nichts unversucht, physischen oder psychischen Druck auf die betroffene Person auszuüben, um sie von einer Aussage abzuhalten. Oft drohen sie, Angehörigen im Heimatland Gewalt an-zutun. Daher fordert der bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK): „Betroffene von Menschenhandel sollten das Recht und auch die Möglichkeit haben, sich frei und unabhängig stabilisieren, informieren und entscheiden zu können, welchen Weg sie einschlagen wollen. Sie benötigen vor allem eine Stärkung ihrer Position durch Sicherheit, Rechte, Unterstützung und Perspektiven.“
Die Angst davor, trotz getätigter Aussage zurück ins Herkunftsland zurückkehren zu müssen, wodurch Betroffene erneut in die Fänge der skrupellosen Täter*innen gelangen können, lässt die Frauen oft von einer Aussage absehen. KOK fordert daher: „Eine Abkopplung aufenthalts-rechtlicher Regelungen von einer Mitwirkung im Strafverfahren, also eine unabhängige und un-befristete Aufenthaltserlaubnis, ist daher dringend notwendig.
Neben einer unabhängigen und unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sollten die Betroffenen zu-dem die Möglichkeit bekommen, neue Perspektiven aufzubauen und langfristige Stabilität zu erlangen. Zugang zu Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Sprachkursen und zum Ar-beitsmarkt sind dafür notwendige Elemente, die auch vor erneuter Ausbeutung schützen.“