cse gegen Sexkaufverbot - Sonderfolge des verabRedet Podcasts
Die derzeitige politische und fachliche Debatte bewegt sich immer weiter in Richtung eines Sexkaufverbotes. Unsere cse-Beratungsstellen Nachtfalter für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, sowie die Beratungsstelle freiRaum für Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind, arbeiten eng zusammen und verfügen über eine gute Vernetzung ins Milieu. Sie können den Frauen und Männern die bestmögliche Beratung und Unterstützung zukommen lassen.
Es ist wichtig, differenzierte Präventions-, Beratungs- und Hilfsangebote vorzuhalten, die den Bedürfnissen und der individuellen Situation der Menschen angepasst sind und die gewünschte Unterstützung und auch Hilfe zum Ausstieg anbieten können. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein Sexkaufverbot die Situation der Sexarbeiter:innen verschlechtern würde. Deshalb sprechen wir uns gegen ein Sexkaufverbot aus.
Sonderfolge des Podcasts verabRedet
Diesmal verabReden sich Maike und Sarah digital zu einer Special-Folge mit Manuel Hurschmann, (Leiter der niedrigschwelligen Anlaufstelle "Nachtfalke", ein Angebot der Aidshilfe Essen e.V. welches sich um Jungs und Männer kümmert die sexuelle Dienstleistungen anbieten), um mit ihm anlässlich des internationalen Sexworker Days über mann-männliche Sexarbeit ins Gespräch zu kommen. Dabei stellen wir fest, dass gesellschaftliche Stigmata auch in diesem Bereich bestehen und es umso wichtiger ist, Sexarbeit aus dem Dunkelfeld zu holen. Den Podcast gibt es auf allen gängigen Portalen, z.B. auf Spotify: https://open.spotify.com/episode/2qngz2ENb17TazkomVsHR0?si=Kh5hwVtkRv-eeII72YwSxA
Fragen und Antworten zum Thema Sexkaufverbot
Warum darf es kein Sexkaufverbot geben?
Ein Verbot führt dazu, dass die Tätigkeiten aus dem öffentlichen Raum verdrängt wird. Damit verschlimmert sich die Situation für diese Gruppen und die besonders Schutzbedürftigen, da sie für das Hilfesystem nicht mehr erreichbar sind. Der Zugang zu gesundheitlicher, rechtlicher und sozialer Beratung findet nicht mehr statt.
Sollte der Straßenstrich beispielsweise durch die Einrichtung von Sperrbezirken verhindert werden?
Es ist wichtig, sichere Möglichkeiten anzubieten, der Sexarbeit auf der Straße nachgehen zu können. Die menschenunwürdigen Bedingungen auf illegalen Straßenstrichs werden auch durch Sperrbezirksverordnungen erzeugt, wenn beispielsweise eine gesamte Stadt zum Sperrbezirk erklärt ist.
Sowohl Frauen als auch Männern die Möglichkeit zu nehmen, sich legal ein Einkommen zu sichern, führt dazu, dass Menschenhandel und Ausbeutung zunehmen und die entsprechende Personengruppe so gut wie gar nicht mehr erreicht wird. Gerade drogenabhängige Menschen sind eine prekäre Gruppe, die oft ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben. Niedrigschwellige Angebote auf einem legalen Straßenstrich bieten mitunter die einzige Möglichkeit für gesundheitliche, rechtliche und soziale Beratung und damit einer individuellen Beratung zur Verbesserung der Lebenssituation dieser Gruppe. Die Stadt Essen konnte damit in den letzten Jahren sehr gute Ergebnisse vorweisen.
Verrichtungsboxen auf legalen Straßenstrichs sind eine pragmatische Lösung, um ein möglichst sicheres Arbeiten gewährleisten zu können. Modellprojekte beispielsweise der Stadt Essen zeigen, dass ein legalisierter Straßenstrich mit Verrichtungsboxen das Sicherheitsempfinden der Frauen erhöhen und eine positive ordnungspolitische Auswirkung hat.
Soll die Anmeldepflicht gestärkt werden um Zwangsprostitution aufzudecken? Hilft es, wenn Sexarbeiter*innen ihre Anmeldung bei ihren Freiern vorzeigen müssen?
Eine Ausweispflicht gegenüber Kunden nur dazu, dass Sexarbeiter*innen weiter in eine Abhängigkeit gedrängt, erpressbar werden und erhöht die Gefahr, dass sie in unsichere Sexpraktiken einwilligen.
Sexarbeiter*innen sind aus unterschiedlichen Gründen nicht angemeldet. Viele drogenabhängige Frauen schaffen es nicht, Ausweispapiere zu beantragen. Frauen und Männer, die die Sexarbeit geheim halten wollen, verzichten aus Angst vor Enttarnung oft auf die Anmeldung.
Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sind dagegen oft mit Papieren ausgestattet, damit sie nicht auffallen und nicht entdeckt werden.
Sollte es Bußgelder für Freier geben, wenn keine Anmeldung der Prostituierten vorliegt?
Freier sind oft der erste Ansprechpartner für die Sexarbeiter*innen, sie bringen sie teilweise erst in Kontakt mit den Behörden oder Fach- und Beratungsstellen. Dies kann eine Chance sein, schlechte Arbeitsverhältnisse in der Sexarbeit aufzudecken.
Die Freierstrafbarkeit wurde vom nordischen Modell bereits in den Ländern Schweden, Frankreich und dem Vereinigten Königreich eingeführt. Wenn eine Strafe droht, sind Freier nicht mehr gewillt, den Frauen und Männern zu helfen oder in Vernehmungen auszusagen, da sie damit rechnen müssen, selbst angeklagt zu werden.
Wie kann die Situation Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung verbessert werden?
Die wichtigen Ansprechpartner*innen, um Zwangssituationen zu erkennen und eine fallorientierte Beratung und Begleitung zu ermöglichen, finden sich in der sozialen Arbeit und fachspezifischen Beratungsstellen. Die bestehenden sozialarbeiterischen und gesundheitlichen Angebote müssen ausgebaut und regelfinanziert werden, um die Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, in diesem Prozess begleiten zu können.
Wichtig wäre eine Aufklärungskampagne für Freier, um über Menschenhandel / Zwangsprostitution aufzuklären.
Polizei und Beratungsstellen, die zum Thema Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung arbeiten, müssen finanziell und personell besser ausgestattet werden.
Sollen Beratungsstellen und behördliche Kontrollen gemeinsam stattfinden?
Eine strikte Trennung von freien Trägern der Wohlfahrtspflege und ordnungspolitischen Behörden halten wir für unerlässlich. Beratungsstellen arbeiten vertraulich und parteilich für die Sexarbeiter*innen. Ein gemeinsames Aufsuchen bei Ordnungs- und Kontrollmaßnahmen führt dazu, dass der Personenkreis abgeschreckt wird. Beratungsstellen müssen ihre Autonomie behalten, um im Sinne der Frauen und Männer agieren zu können.